Holzschnitt
Holz war lange Zeit der wichtigste Werkstoff für Bildmedien. In China wurden Papier und Hochdrucke schon um Christi Geburt genützt. In Europa haben sich Drucke aus dem frühen 15. Jahrhundert erhalten.
Große Verbreitung fand die Holzschnitt-Illustration in der Zeit der Reformation.
Einblattdrucke und Blockbücher wurden in offenem linearem Stil ausgeführt, um den »Briefmalern« die farbige Ausgestaltung zu erleichtern. Lukas Cranach, Albrecht Dürer u. a. entwickelten im Holzschnitt perspektivisch richtigere und hell- dunkel durchmodellierte Abbildungen. Viele wissenschaftliche Studien wie z.B. die Anatomie von Vesalius (1543) wurden mit Holzschnitten illustriert und im Buckdruck veröffentlicht. Bewegliche Holzlettern wurden von Druckereien bis zur Umstellung auf Offsetdruck für große Schriften verwendet.
Johann Amos Comenius veröffentlichte 1685 sein »Orbis Sensualis Pictus«, ein Bildwörter- und Lehrbuch mit lateinischen und deutschen Bezeichnungen. Dieses weitverbreitete Werk mit Holzschnitt-Illustrationen blieb bis ins 19. Jahrhundert ein Unterrichtsmittel.
Die Erfindung der Fotografie lieferte ein Verfahren, bei dem sich die zeichnende Hand erübrigte. Mit der Xylographie (dem Hirnholzstich) war es möglich Bilder in großen Mengen zu verbreiten. Viele dieser Illustrationen für Zeitungen, Bücher, Warenkataloge usw. werden heute noch verwendet.
Otto Neurath gründete 1924 das »Museum für Gesellschaft und Wirtschaft« in Wien. Für dieses entwickelte er die »Wiener Methode« der Bildstatistik. Soziale und wirtschaftliche Informationen sollten nicht nur mit Balkendiagrammen gezeigt werden, sondern sich, mit Bild-Zeichen symbolisiert, besser einprägen.
Als Zeichner engagierte er Gerd Arntz, einen Maler und Holzschneider, der einer deutschen Industriellen-Familie entstammte sich aber für die Arbeiterbewegung interessierte. Dessen flächiger Stil und figurativer Konstruktivismus im Holzschnitt entsprachen den Anliegen Otto Neuraths. Immer mehr Piktogramme und Bildsymbole wurden entwickelt. Mit dem Austrofaschismus (1934) endete die erfolgreiche Tätigkeit des Museums in Wien. Otto Neurath emigrierte mit seinem gesamten Team nach Holland, wo sie »Basic by Isotype« fertigstellten. (ISOTYPE = International System of Typographic Picture Education) 1937 wurde das Buch in London veröffentlicht. Trotz Kriegsgegnerschaft, die er in Drucken veröffentlicht hatte, wurde Gerd Arntz 1943 zur Wehrmacht eingezogen. Erst nach dem 2. Welt-Krieg konnte er wieder in Holland arbeiten.
Rudolf Modley, ein Assistent Neuraths, veröffentlichte 1942/43 in einer eigenen Firma (Pictograph Corporation) 1153 Piktogramme in New York. In Wien erfunden, verbreiteten sich die in Holz (bzw. Linol) geschnittenen Piktogramme über Holland, London und New York in alle Welt.
Zeichenprogramme auf Computern ermöglichen mit Vektorgrafiken ein »Schneiden« auf dem Bildschirm. Alle Schriften und flächigen Bildzeichen werden mit der Maus oder einem anderen Eingabegerät »geschnitten«.
Gerhard Carl Mosers Holzschnitte knüpfen an frühe Drucke und ihre flächenhaften, linearen und zeichenhaften Mittel an. Holz wird nur mehr als Medium einer sonst nicht möglichen Bilderfindung genutzt. Fotorealistisches Abbilden ist allgegenwärtig. Mit Mobiltelefon oder Digitalkamera wird in »Echtzeit« mitgeschnitten. Im Vergleich zu Zeitgenossen früherer Holzschnitte ändert sich m. E. dadurch das Verhältnis zu und der Umgang mit Abbildungen.
Ist es möglich dem Blick noch Dauer zu gönnen? »Zeichnen heißt weglassen« (Max Liebermann)
Skizzen, wie sie zur Bildfindung gefertigt wurden, seit es Papier in erschwinglicher Form gibt, interessieren mehr als detailliert fixierte und fertige Ergebnisse. Barocke Skizzen zeigen, wie aus Gekritzel Bildideen entstehen. Honoré Daumier, Alfred Kubin und viele andere bedienten sich der gleichen Methode. Um kreativ Neues zu erfinden, sind Skribblen bzw. »Gesture-Drawing« hilfreiche Techniken.
Sehen funktioniert mit Hypothesen aus gespeicherten Bildern, mit denen Linien und Flächen interpretiert werden. Offene nicht fotografische Bildspuren lassen mehrere und manchmal recht unterschiedliche Deutungen zu. Wie Bilder auftauchen, beobachten wir – vorwiegend in der Dämmerung – bei Wanderungen oder wenn wir uns in unbekannten Räumen aufhalten. Erscheinende Personen, Tiere usw. werden erst nach mehrmaligem Hinsehen (ev. erst beim Näherkommen) zu Wurzeln, Steinen, Felsen, Baumstrünken usw. Unser Wahrnehmungsapparat vergleicht aktiv Sinneseindrücke mit schon gespeicherten Informationen, stellt Hypothesen auf und sieht Dinge in den Sehvorgang hinein. Damit lässt sich spielen. Wir alle erleben ein eigenes, einzigartiges Bild aus den dargebotenen Linien, Flächen und Farben.